Diskriminierung des Ehegatten beim Pflichtteil verfassungswidrig?

 

Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des

Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn die Schenkung dem Nachlass zugerechnet wird.

Die Schenkung wird im ersten Jahr vor dem Erbfall voll, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils

1/10 weniger berücksichtigt. Nach 10 Jahren bleibt die Schenkung unberücksichtigt.

Nach § 2325 III 3 BGB beginnt die 10-Jahres-Frist bei Schenkungen an den Ehegatten nicht vor Auflösung der Ehe.

Der Ehegatte ist daher als Erbe einem höheren Pflichtteilsanspruch ausgesetzt, als z.B. ein nichtehelicher Lebenspartner.

 

Die Benachteiligung des Ehegatten wird mit dem Verdacht arglistigen Verhaltens gegenüber den Pflichtteilsberechtigten

begründet. Als Begründung wird auch herangezogen, dass beide Ehegatten den geschenkten Gegenstand während

der Ehe noch mitbenutzen können. Diese Differenzierungsgründe stammen aus vorindustrieller Zeit mit bäuerlichen

Sozialstrukturen. Sie rechtfertigten heute die Benachteiligung des Ehegatten gegenüber Dritten und nichtehelichen

Lebenspartnern nicht mehr. Der Verdacht arglistigen Verhaltens ist nicht mehr vom Trauschein abhängig. Gleiches

gilt für die gemeinschaftliche Nutzung eines geschenkten Gegenstands. Ein modern denkendes Kind wird nicht verstehen,

warum es gegenüber seiner Mutter einen höheren Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen kann als gegenüber der

Freundin seines Vaters. Damit ist § 2325 III 3 BGB wegen Verstoß gegen Art. 3 und 6 GG verfassungswidrig.

 

Bis das Bundesverfassungsgericht entscheidet, wird noch lange Zeit vergehen. Bis dahin kann eine Korrektur nach

§ 2330 BGB erfolgen, wonach die Regelungen der Pflichtteilsergänzung keine Anwendungen auf Schenkungen finden,

durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird. Die

Rechtsprechung hat dies z.B. bei der Übereignung einer Immobilie nach jahrelanger Pflege eines Elternteils oder

bei der Zuwendung von Grundvermögen zum Zwecke der Alterssicherung des Ehegatten anerkannt.